Tarifautomatik

1. Allgemein

1.1. Begriff der Tarifautomatik

Als Tarifautomatik wird der in § 22 Abs. 2 BAT festgelegte Grundsatz bezeichnet, nach der der Angestellte in der Vergütungsgruppe eingruppiert ist, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm auszuübende Tätigkeit entspricht.

Für die Frage, welche Vergütung im Einzelnen zu zahlen ist, kommt es unter der Geltung des BAT gemäß § 22 Abs. 2 BAT grundsätzlich allein auf die dem Angestellten übertragene und somit auszuübende Tätigkeit an. Maßgeblich ist der Arbeitsvertrag, nicht jedoch die im Arbeitsvertrag genannte Vergütungsgruppe. Damit hier eine korrekte Tätigkeitsbeschreibung erscheint, muss der Arbeitgeber größte Sorgfalt bei der Erstellung des Anforderungsprofils und der Stellenbeschreibung walten lassen.

Während die Vereinbarung der auszuübenden Tätigkeit im Arbeitsvertrag noch durch die Vertragspartner mehr oder weniger genau festgelegt werden kann, entscheidet bei der Frage, in welche Vergütungsgruppe die so beschriebene Tätigkeit einzugruppieren ist, der Arbeitgeber nur nach seiner eigenen Rechtsauffassung. Diese Zuordnung unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung durch die Arbeitsgerichte. Vergütungsgruppenangaben im Arbeitsvertrag sind rein deklaratorisch und geben die momentane rechtliche Einschätzung des Arbeitgebers wieder, die sich im Nachhinein, sei es vor Gericht oder einfach bei einer internen Überprüfung, als unrichtig herausstellen kann.

Die Beurteilung dieser Frage (z.B., ob eine gewisse Tätigkeit " besonders verantwortungsvoll " ist,) hängt oft von dehnbaren Begriffen und Wertungen ab, bei denen Fehleinschätzungen oder abweichende Rechtsauffassungen des Gerichtes nie ganz auszuschließen sind. In diesen Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit der Rechtsprechung liegt ein Grund für die ebenso häufigen wie gefürchteten Eingruppierungsstreitigkeiten, durch die Arbeitnehmer häufig eine nachträgliche Steigerung ihrer Bezüge erreichen.

1.2. Einzelvertragliche, abweichende Eingruppierungsvereinbarungen

Im Geltungsbereich des BAT oder kraft einzelvertraglicher Vereinbarung (BAT- Anwender) gilt grundsätzlich das BAT-Eingruppierungsrecht und damit der Grundsatz der Tarifautomatik. Alle weiteren Vergütungsgruppenangaben in dem Vertrag sind dann im Regelfall nur Hinweise auf die Rechtsauffassung des Arbeitgebers - ohne eigenständige, rechtsbegründende Wirkung.

Die - nach § 22 Abs. 3 BAT vorgeschriebenen - Angaben zur Vergütungsgruppe oder weitere Angaben zur konkreten Höhe des Gehalts in der jeweiligen Vergütungsgruppe sind, wenn das Tätigkeitsbild eindeutig abgegrenzt ist, für die Eingruppierung und die Frage der Höhe des geschuldeten Gehalts im Regelfall nicht ausschlaggebend.

Angaben zur Höhe des Gehalts in Form von Vergütungsgruppenangaben oder Honorarbeträgen im Vertrag erlangen nur eine eigenständige Bedeutung, wenn eine Stellen- oder Tätigkeitsbeschreibung völlig fehlt oder die Auslegung des Vertrages ergibt, dass unabhängig von der Vergütung des BAT eine übertarifliche Bezahlung in Höhe einer genannten Vergütungsgruppe oder sogar in Höhe eines bestimmten Betrages von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Vertragsschluss ausnahmsweise gewollt war.

Nur dann gilt die Vereinbarung des festen, übertariflichen Gehalts bzw. der jeweiligen vereinbarten Vergütungsgruppe.

Dafür, dass an Stelle der tariflichen Eingruppierung ganz bewusst ein übertariflicher Lohn vereinbart worden war, ist in der gerichtlichen Auseinandersetzung der Arbeitnehmer beweispflichtig.

1.3. Völliger Verzicht auf Tätigkeitsbeschreibung?

In dem trotz allem immer noch gelegentlich anzutreffenden Fall, dass auf die Festlegung und Beschreibung einer bestimmten auszuübenden Tätigkeit im Arbeitsvertrag völlig verzichtet wird und eine bestimmte Vergütungsgruppe genannt wird, nimmt der Arbeitgeber, meist ungewollt, die größtmögliche Unsicherheit in Kauf.

Wird nur eine bestimmte Vergütungsgruppe vereinbart ohne die dazu gehörige Tätigkeit aus der jeweiligen Vergütungsgruppe zu präzisieren, wird im Streitfall die auszuübende Tätigkeit erst durch Auslegung ermittelt. Unklarheiten gehen hier zu Lasten des Arbeitgebers, sodass das Gericht zu Gunsten des Arbeitnehmers immer die in der Vergütungsgruppe günstigste und unter den sonstigen Umständen (Ausbildung etc.) noch denkbare Tätigkeitsbeschreibung zu Grunde legen wird.

Es empfiehlt sich somit für die Dienststellenleitung, durch eine detaillierte Stellenbeschreibung von vorn herein sicher zu stellen, dass die auszuübende Tätigkeit im Arbeitsvertrag hinreichend genau umschrieben wird.

1.4. Übertragung einer "höherwertigen" Tätigkeit durch einen Vorgesetzten

Nach § 22 BAT erfolgt die Höhergruppierung, wenn ein zuständiger Vorgesetzter eine vom Arbeitsvertrag abweichende Tätigkeit überträgt, die die Merkmale einer höheren Vergütungsgruppe erfüllt. Hinsichtlich der Wahrung der Zuständigkeiten ist mindestens erforderlich, dass die für Personalentscheidungen zuständige Stelle ausdrücklich oder stillschweigend der Übertragung der höherwertigen Aufgaben zustimmt.

Abweichungen hiervon sind nur nach dem Prinzip des Vertrauensschutzes möglich, wenn der Arbeitnehmer nicht wusste, dass der Vorgesetzte nicht befugt war, personelle Entscheidungen zu treffen.

Eine Höhergruppierung kommt nicht zu Stande, wenn ein in Fragen der Personalentscheidungen unzuständiger Vorgesetzter die betreffenden neuen Aufgaben überträgt und der Angestellte die Unzuständigkeit des betreffenden Vorgesetzten kennt (BAG 05.05.1999 - 4 AZR 360/98). Für Personalentscheidungen wird in der Regel nur der Personalchef zuständig sein.

Tauchen Differenzen zwischen Tätigkeit und Arbeitsvertrag auf, muss der Mitarbeiter, diese Abweichungen kundtun und an das Personaldezernat bzw. den Personalchef herantragen. Wenn ein Mitarbeiter dazu eine Beschwerde äußert und der Leiter der Personalabteilung trotz Kenntnis der abweichenden Aufgabenbewältigung nichts unternimmt, kann hierin eine stillschweigende Zustimmung liegen.

Dies könnte dann letztlich zur Folge haben, dass eine stillschweigende Umverteilung der Aufgaben durch den Personalverantwortlichen anzunehmen ist. Dass eine entsprechende Beschwerde geäußert worden ist, wird der Mitarbeiter im Bestreitensfall allerdings nachweisen müssen, da er sonst auch nicht seinen Umgruppierungsanspruch beweisen könnte. Die Beschwerde hat nur Sinn, wenn sie vor Zeugen oder sogar schriftlich mit Gegenzeichnung erfolgt.

Personalverantwortliche sind in derartigen Fällen also gehalten, rechtzeitig gegen die Verrichtung von Arbeiten durch unzuständigen Mitarbeiter einzuschreiten.

1.5. Eingruppierungsänderungen in "besonderen Fällen" und bei "vorübergehender Tätigkeit"

Zum Fall des nachträglichen Anwachsens der Tätigkeit sowie zu der Rechtsfigur der "vorübergehenden Tätigkeit" vgl. jeweils dort.

2. Ausnahmen

2.1. Fehlen einer Vergütungsordnung

In vereinzelten Fällen kommt es auch im Öffentlichen Dienst noch dazu, dass eine Tätigkeit noch nicht zum Gegenstand einer ausdrücklichen Vereinbarung der Tarifpartner geworden ist. In diesem Fall fehlt eine Vergütungsgruppe oder auch eine ganze Vergütungsordnung völlig. Meist entstehen solche Lücken unbemerkt im Raume regelungstechnischer Gemengelagen. Das BAG hat hierzu festgestellt, dass dann, wenn eine Tätigkeit von keiner Vergütungsordnung (mehr) erfasst wird, auch § 22 BAT bzw. BAT-O nicht anwendbar sein könne (BAG Urt. v. 26.04.2001 - 8 AZR 281/00). Die Grundsätze der Eingruppierung und Tarifautomatik greifen nicht, wenn eine Vergütungsordnung fehlt.

Im entschiedenen Fall eines angestellten Lehrers wurde das Gehalt eines angestellten (Sonderschul-)Lehrers des Landes Sachsen-Anhalt sodann in Anlehnung an beamtenrechtliche Regelungen bestimmt; die Gewährung von Zulagen nach § 24 BAT-O wurde dem entsprechend abgelehnt.

2.2. zusätzliches Prüfungserfordernis im VKA-Bereich

Der Grundsatz der Tarifautomatik gilt:

- Im Bereich aller Bundes- und Landesbehörden und im Bereich der kommunalen Arbeitgeber in den neuen Bundesländern uneingeschränkt.

- Im Bereich der kommunalen Arbeitgeber in den alten Bundesländern folgt die Eingruppierung der Tätigkeit nur eingeschränkt, wenn der (höher) zu gruppierende Beamte zusätzlich das Prüfungserfordernis des § 25 BAT erfüllt. Nach dieser Regelung müssen Prüfungen ("erste und zweite Prüfung") nach der Anlage 3 zum BAT abgelegt worden sein.

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Ralf.Beratung und Moderation