Tariflücke

Es kann vorkommen, dass die zu bewertende Tätigkeit

- weder von einer speziellen Eingruppierungsnorm,
- noch von den allgemeinen Eingruppierungsnormen

der Vergütungsordnung erfasst wird. Zwar sollen nach dem Willen der Tarifvertragspartner alle Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes erfasst sein (Vollständigkeitsprinzip), dieses Ziel wird jedoch manchmal nicht erreicht. In diesen Fällen spricht man von einer Tariflücke.

Es gibt bewusste und unbewusste Tariflücken:

- Bei einer bewussten Tariflücke haben die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt gelassen und diese Absicht in einer entsprechenden Erklärung niedergelegt oder es ergeben sich sonstige Anhaltspunkte für eine bewusste Tariflücke (z.B. die Tätigkeitsmerkmale für eine bestimmte Berufsgruppe beziehen sich nur auf bestimmte Vergütungsgruppen) ( BAG 29.08.1984 - 4 AZR 309/82).

Eine bewusste Tariflücke ist hinzunehmen und kann von der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nicht geschlossen werden. Sie kann nicht durch eine analoge Anwendung einer anderen, ähnlichen oder allgemeinen Eingruppierungsnorm geschlossen werden.

- Grund für eine unbewusste Tariflücke ist entweder das unbewusste Unterlassen der Tarifvertragsparteien oder die spätere Entstehung einer neuen Beschäftigungsgruppe.

Eine unbewusste Tariflücke ist immer durch die analoge Anwendung von anderen speziellen Eingruppierungsnormen zu schließen.

Beispiel:

Eine Krankenschwester arbeitet in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens für psychisch kranke Menschen. Sie fährt dabei in regelmäßigen Abständen in deren Wohnungen und betreut die Klienten krankenpflegerisch.

In dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag BAT-KF der evangelischen Kirche Rheinland-Westfalen-Lippe besteht für Pflegemitarbeiter der dem allgemeinen Vergütungsgruppenplan vorgehende Pflegepersonal-Vergütungsgruppenplan. Gemäß § 2 Abs. 1 a und b BAT-KF erstreckt sich der Anwendungsbereich des Pflegepersonal-Vergütungsgruppenplans auf Angestellte in Krankenpflege- und ähnlichen Anstalten und Heimen.

Die Tätigkeit in dem Betreuten Wohnen ist weder eine Tätigkeit in einer Anstalt noch in einem Heim. Die Stellenbewertung ist daher nach den Berufsgruppen des Allgemeinen Vergütungsgruppenplans vorzunehmen.

Eine andere Berufsgruppe Krankenpflege besteht nicht. Der Tätigkeit ähnlich ist jedoch die Berufsgruppe 1.4 (Mitarbeiterinnen in der Gemeindepflege). Gemeindepfleger pflegen und betreuen Patienten bzw. Pflegebedürftige aller Alterstufen in deren Wohnung. Die Krankenpflege im Betreuten Wohnen wurde im Zeitpunkt der Vereinbarung der Berufsgruppen des BAT-KF im Jahre 1961 noch nicht allgemein durchgeführt. Anhaltspunkte für die bewusste Nichtregelung sind nicht ersichtlich. Es handelt sich insofern um eine unbewusste Tariflücke.

Voraussetzung der analogen Anwendung ist, dass es sich um eine vergleichbare Tätigkeit handelt. Zudem ist darauf abzustellen, wie in der anzuwendenden Vergütungsordnung artverwandte und vergleichbare Tätigkeiten bewertet werden BAG 21.06.2000 - 4 AZR 931/98.

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Ralf.Beratung und Moderation